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Zu Biologie und Identität von Donus proximus (Capiomont, 1876) comb. nov. (Coleoptera, Curculionidae, Hyperinae)
On biology and identity of Donus proximus (Capiomont, 1876) comb. nov. (Coleoptera, Curculionidae, Hyperinae)
expand article infoChristoph Germann§
‡ Naturhistorisches Museum Basel, Basel, Switzerland
§ Naturhistorisches Museum Bern, Bern, Switzerland
Open Access

Zusammenfassung

Anlässlich einer Exkursion in die Gebirgszüge im Norden Portugals konnten Imagines und Larven der wenig bekannten Donus-Art vom Doldenblütigen Heidekraut (Erica umbellata L.) auf submontaner Lage gesammelt werden. Bisher waren Heidekrautgewächse (Ericaceae) als Wirtspflanzen für Hyperinae gänzlich unbekannt. Eine durchgeführte Zucht bestätigte diese Wirtspflanzenbindung. Die nomenklatorische Änderung Donus proximus (Capiomont, 1876), comb. nov. von Brachypera wird eingeführt, Imago, Larve und der Kokon werden vorgestellt, und das Habitat wird charakterisiert.

Abstract

During an excursion into the mountain chains in northern Portugal, adults and larvae of this largely unknown Donus-species were collected at submontane altitudes from Erica umbellata L. At present, the Ericaceae are not known as host plants of any Hyperinae. A subsequent breeding allowed to confirm this host-plant relationship. The taxonomically relevant change Donus proximus (Capiomont, 1876), comb. nov. from Brachypera is introduced, adults, larvae and the cocoon are presented, and the habitat is characterized.

Key Words

larval instars, Ericaceae, Iberian Peninsula, Taxonomy, new combination

Einleitung

Wie bereits mehrfach angetroffen, sind die ektophag lebenden Larvalstadien der Hyperinae im Frühsommer immer eine gute Gelegenheit, die Wirtspflanzenbindungen dieser Gruppe zu untersuchen (Dieckmann 1989; Skuhrovec 2005; Curculio Team East 2010; Germann 2011a, 2011b; Germann 2016, 2021a). Vorliegend wird die Entdeckung der Wirtspflanze einer weiteren Donus-Art vorgestellt – Donus proximus – welche in Nordwestspanien und Nordportugal vorkommt, jedoch wenig bekannt ist und auch in gut assortierten Sammlungen in nur wenigen Belegtieren vertreten ist.

Material und Methoden

Die Funde von Donus proximus stammen von folgenden vier Fundorten (alle leg. C. Germann): Vila Real, Serra do Alvão, Bilhó, Bobal, 41°24'05"N, 7°50'02"W, Waldrand, 865 m ü. M., 30.5.2023. – Vila Real, Serra do Alvão, Bilhó, Bobal, 41°23'54"N, 7°49'42"W, 941 m ü. M., Hügelkuppe, 31.5.2023. – Braga, Serra do Barroso, 11 km NE Cabeceiras de Basto, 41°35'45"N, 7°56'26"W, 1000 m ü. M., kleiner Eichen-Restwald, 1.6.2023. – Braga, Serra do Gerês, 4.5 km NE Gerês, 41°46'02"N, 8°08'33"W, 1010 m ü. M., Quercus, Erica, Arbutus, 4.6.2023.

Die Zucht der Larven wurde in Plastik-Schraubdosen durchgeführt, Details dazu finden sich in Germann (2021b). Fundorte von Sammlungstieren werden in Anführungszeichen zitiert, und wurden wörtlich den Etiketten entnommen, eigene Ergänzungen stehen in eckigen Klammern. Die Lebendaufnahmen wurden mit einer Olympus-Kamera des Modells T4 gemacht, die Aufnahmen der Präparate erfolgte mit dem Fotosystem VHX-6000 von Keyence am Naturhistorischen Museum Basel (NMB).

Resultate

Taxonomie

Capiomont (1876) beschrieb Hypera proxima auf der Grundlage eines Männchens « La description qui précède est faite sur un individu mâle, le seul que j’aie pu examiner. » [Die folgende Beschreibung basiert auf einem männlichen Individuum, das einzige, welches ich untersuchen konnte.] und verglich die neue Art mit Donus montivagus (Capiomont, 1868) beschrieben von demselben Autor aus der Sierra Nevada in Südspanien. Der Typenfundort von Donus proximus liegt in der Serra do Gerês in Nordportugal: «Appartient à M. L. von Heyden, de Francfort, qui l’a capturé à Gérez, au nord du Portugal. »[Gehört Herrn L. von Heyden aus Frankfurt, der es in Gerês gefangen hat, im Norden Portugals]. Der Holotypus befindet sich in Müncheberg (Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut; SDEI) in der Sammlung Lucas von Heyden und konnte Dank Fotos überprüft werden (Fig. 1).

Figure 1. 

Habitus Holotypus Hypera proxima Capiomont, 1876 und Etiketten (Fotos: Kevin Weißing).

In der Sammlung Georg Frey am NMB befinden sich folgende weitere Vergleichstiere von Donus proximus: «2 ex. Cancas Ast. [Spanien, Asturien], leg. Paganetti, coll. J. Breit. – 1 ex.: Caboalles [Spanien, Leon] ditto. – 3 ex. Sabrosa, Lusitan. – 2 ex. S. Martinho, leg. G. de Barros. – 4 ex. S. Martinho, Portugal». Zudem konnten topotypische Tiere aus der Serra do Gerês, und diejenigen des Synonyms Donus barrosi (Guérin, 1894) von San Martinho (Sammlung G. Frey) untersucht werden. Dabei konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass Donus proximus nicht zu Brachypera Capiomont, 1868 gehört, wie dies von Skuhrovec (2008: 687) vorgeschlagen wurde, sondern in die Gattung Donus Jekel, 1865 gehört, was hiermit berichtigt wird: Donus proximus comb. nov. Die ovale Form der Elytren ohne Schulterbeule, die vergleichsweise kurzen und breiten Abdominalsegmente, das stark gerundete Pronotum und der lange und stielrunde Rüssel gehören allesamt zu den charakteristischen Merkmalen der Gattung Donus, adaptiert nach Jekel (1865) (Figs 13). Die Anzahl der Zähne auf den Mandibeln der Larven wurde nicht überprüft, nach Skuhrovec (2008) müssten bei Donus drei dieser Zähne zu sehen sein (vier bei Brachypera und nur zwei bei Hypera Germar, 1817). Dieses Merkmal – erst bei sechs der über 40 Arten der Gattung Brachypera überhaupt untersucht – sollte zukünftig noch geprüft werden.

Figures 2, 3. 

2. Männchen von Donus proximus, rechts unten das Genital (ventrale Sicht). 3. Weibchen, beide aus Vila Real, Bobal (Fotos: C. Germann).

Biologie

Während einer Exkursion in den Norden Portugals wurden Anfang Juni 2023 die Gebirgszüge Serra do Marão, Serra do Alvão, Serra do Barroso und die Serra do Gerês besucht (Details dazu in Material & Methoden). In wenigen Restwäldern – der Grossteil der heutigen Waldfläche besteht leider aus aufgeforsteten Pinus halepensis Mill.-, Eucalyptus sp.-, Thuja sp.- oder Acacia-Forsten – des ursprünglichen Eichenwaldes, bestehend aus Quercus pyrenaica Willd., Q. cerris L., Erica spp. und verschiedenen Ginsterarten, wurden Larven (Figs 4–6, 11) und Imagines (Fig. 10) von Donus proximus gefunden. Eine gezielte Nachsuche ergab Erica umbellata L. als Wirtspflanze (Figs 8, 9). Die Standorte lagen alle auf Lichtungen oder an Rändern naturnaher Waldflächen, meist in der Nähe von Felsformationen oder Wegrändern (Figs 8, 9).

Die weitere Zucht der Larven an Erica umbellata verlief unproblematisch; innert einer Woche sponnen die ersten Larven einen Gitterkokon (Fig. 7) und verpuppten sich innerhalb von 3–4 Tagen. Am 19. Juni, also 14 bis 18 Tage nach der Verpuppung, waren alle Imagines geschlüpft.

Figures 4–7. 

4. Mehrere Larven wurden an Erica umbellata gefunden und gezüchtet. 5, 6. Die Larven sind durch ihre kontrastreiche Zeichnung, bestehend aus fünf hellen Längsstreifen auf grüner Körperfarbe, hervorragend in den Ästen der Wirtspflanze getarnt. 7. Bereits nach einer Woche begannen die ersten Larven einen rötlichbraunen Seiden-Netzkokon zu spinnen (Fotos: C. Germann).

Figures 8–11. 

8, 9. Typische Habitate auf Lichtungen in naturnahen Eichenwäldern auf der Serra do Alvão und Serra do Barroso in Nordportugal. 10. Imago bei Frassaktivität auf der Wirtspflanze Erica umbellata. 11. Letztes Larvalstadium kurz vor der Verpuppung (Fotos: C. Germann).

Diskussion

Mit diesem Beitrag und der problemlosen Überprüfung des Holotypus im SDEI konnte die Art- und Gattungszugehörigkeit von Donus proximus einwandfrei geklärt werden. Da bisher eine Revision aller Donus-Arten noch immer fehlt, und die neusten zusammenfassenden Arbeiten lange zurückliegen (Capiomont 1868a, 1868b; Petri 1901) und neuere Revisionen nur punktuell vorliegen (Skuhrovec and Borovec 2007; Skuhrovec 2008), sind solche Anpassungen nicht weiter überraschend. Durch die Zucht der gefundenen Larven derselben Art in den nördlichen Gebirgen Portugals konnte erstmals eine Ericaceae als Wirtspflanze belegt werden, dass Ericaceae von Hyperinae als Wirtspflanzen genutzt werden, war bisher gänzlich unbekannt; Skuhrovec (2005) trug 15 verschiedene Pflanzenfamilien zusammen, welche nachweislich zur Entwicklung genutzt werden.

Zudem konnte der Lebensraum von Donus proximus hier erstmals aufgezeigt werden. Es bleibt zu betonen, dass dieses natürliche Habitat der Eichenwälder im Norden Portugals leider bereits stark dezimiert wurde und durch Brandrodung, überdurchschnittlich häufige Waldbrände (Nunes and Duarte 2006), sowie Aufforstungen durch gebietsfremde Baumarten stark bedroht ist (Garcia et al. 2008; Queirós 2012), was dementsprechend auch für Donus proximus gilt. Ob frühere küstennahe Vorkommen von D. proximus (wie das Synonym barrosi von der küstennahen Lokalität San Martinho belegt) überhaupt noch bestehen, dürfte durch die stark degradierten Habitate (Garcia et al. 2008) beinahe ausgeschlossen sein. Somit sind die Restwälder in den nördlichen Sierras die letzten Rückzugsräume für diese Rüsselkäfer-Art in Portugal.

Danksagung

Ich danke Michael Balkenohl (Bonstetten), Carlo Braunert (Mensdorf), Ruedi Bryner (Biel) und Salome Steiner (Bern) für ihre Unterstützung während der Exkursion. Ganz herzlichen Dank an Kevin Weißing und Mandy Schröter (beide SDEI) für ihre Unterstützung bei der Suche nach und beim Vergleich mit dem Holotypus, sowie der Möglichkeit der Nutzungsrechte der Fotos aus der Sammlung Von Heyden. Den Reviewern sei für ihre hilfreichen Anmerkungen und Ergänzungen zum Manuskript gedankt.

Referenzen

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  • Capiomont G (1868b) Révision de la tribu des Hypérides, Lacordaire, et en particulier des genres Hypera Germ, Limobius, Schönh. et Coniatus (Germ.) Schönh. renfermant la description de plusieurs genres nouveaux et de 85 espèces nouvelles. Suite. Annales de la Société Entomologique de France (4) 8(1): 73–160. [pls. 1–2]
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  • Germann C (2021b) Beitrag zur Praxis in der Entomologie: Zucht von phytophagen Käferlarven in Mehrzweckdosen (Coleoptera). Entomo Helvetica: 14: 105–108.
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  • Skuhrovec J, Borovec R (2007) Revision of Donus caucasicus group (Coleoptera: Curculionidae: Hyperini). Snudebiller 8: 175 pp.
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